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Psychologie und Technik: Können wir damit die Klimakrise stoppen?

24. Februar 2023

Psychologie und Technik: Können wir damit die Klimakrise stoppen?

Die Klima- und Umweltkrise zu lösen, wird immer drängender. Es lohnt sich, digitale Technik und Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung zu nutzen, um die Menschen zu mehr umweltfreundlichem Verhalten zu bewegen.

Ein Gastbeitrag von Lennart Grigoleit

Die CO2-Bilanz von Individuen in den Mittelpunkt zu rücken, war ursprünglich eine Idee des Ölkonzerns BP, um von der Verantwortung der Fossilindustrie für große Umweltschäden abzulenken. Dafür bewarb BP einen CO2-Fußabdruckrechner und sorgte damit bei den Menschen für den Eindruck, sie allein hätten die Höhe dieser Emissionen in der Hand. Das stimmt so nicht. Viele Emissionen sind in modernen Gesellschaften für den Einzelnen kaum vermeidbar. Das beginnt schon bei der Nutzung von Infrastruktur - wie beispielsweise Straßen - oder dem Konsum von Lebensmitteln, für deren Produktion Treibhausgase emittiert wurden.

Jeder Einzelne kann etwas beitragen

Trotzdem bergen Verhaltensänderungen der Menschen im Alltag ein großes Potenzial für Einsparungen von Emissionen, besonders in Industrieländern. Eine Studie aus dem Jahr 2009 ergab beispielsweise, dass über sieben Prozent der gesamten Emissionen der USA direkt und günstig durch verändertes Verhalten in der Bevölkerung eingespart werden könnten – eine erhebliche Menge. In meiner Masterarbeit habe ich mich daher mit der Frage beschäftigt, wie gut sich mit Hilfe verschiedener Konzepte aus der Verhaltensforschung und digitaler Technik umweltfreundliches Verhalten fördern lässt. Konkret geht es dabei um Nudging, Boosting und Gamification.

Was sind Nudging, Boosting und Gamification?

Während Gamification den meisten Menschen heute ein Begriff ist, sind Nudging und Boosting kaum über wissenschaftliche Kreise hinaus bekannt. Kurz gesagt:

Nudging versucht, durch kleine Änderungen im Entscheidungsumfeld Menschen zur Wahl der bevorzugten Option zu „stupsen“. Ein Paradebeispiel hierfür ist das sogenannte Default-Setting – also zum Beispiel, dass im Buchungsprozess für einen neuen Stromtarif standardmäßig die Option auf 100% Ökostrom angehakt ist. Wer macht schon gerne mehr Klicks als nötig?

Boosting dagegen fokussiert sich darauf, Menschen eine bessere Entscheidungsfindung zu ermöglichen. Das kann zum Beispiel durch das Sichtbarmachen relevanter Informationen geschehen. Erst vor kurzem wurde bei Google Maps die Funktion eingeführt, dass umweltfreundliche Routen durch die eingesparte Menge an Emissionen hervorgehoben werden. Ein anderes Beispiel sind Smart-Home-Systeme, die den eigenen Stromverbrauch zu jeder Zeit visualisieren und so Optimierungen im Haushalt erlauben.

Gamification wiederum beruht auf der Idee, die motivierende Kraft von Spielelementen zu nutzen, um Menschen auch in ernsthaften Kontexten zu einem bestimmten Verhalten zu motivieren. Punktesysteme, Abzeichen und der Wettbewerb mit anderen gehören zu den Klassikern der Gamification.

Verstanden – und jetzt?

Diese drei Methoden können Menschen dabei unterstützen, ihre Lebensweise und ihren Alltag umweltfreundlicher zu gestalten. In meiner Arbeit hat sich gezeigt, dass Nudging dabei besonders effektiv ist, sich aber nicht für alle Situationen eignet. Die sogenannten Nudges (“Stupser”) funktionieren immer dann, wenn eine bestimmte Entscheidung beeinflusst werden soll, das gewünschte Verhalten klar bestimmt ist und die Präferenzen des Einzelnen nicht zu stark ausgeprägt sind. Mit Boosting dagegen lassen sich auch Verhaltensbereiche beeinflussen. So kann zum Beispiel der Stromverbrauch im Haushalt, der von vielen einzelnen, alltäglichen Entscheidungen abhängt, mit häufigerem und besser zugänglichem Feedback reduziert werden. Die Menschen können dadurch selbst erkennen, an welcher Stelle ein verändertes Verhalten zu Einsparungen führt.

Die Rolle der Motivation

Dieses Feedback wird jedoch wenig nutzen, wenn kaum Motivation besteht, überhaupt auf den eigenen Energieverbrauch zu achten. An dieser Stelle kommt Gamification ins Spiel, dessen Haupteffekt es ist, mit spielerischen Elementen für mehr Motivation zu sorgen. Kombiniert man Boosting mit Gamification, lassen sich im Durchschnitt größere Effekte auf das Verhalten beobachten. Ein ähnlicher Match ist bei Nudging und Gamification nicht möglich: Für Nudges ist meist keine Motivation erforderlich – der Haken für die 100% Ökostrom ist ja bereits gesetzt.

Wie viel lässt sich wirklich erreichen?

Meine Arbeit hat gezeigt, dass alle drei Methoden hilfreich sein können, um umweltfreundliches Verhalten zu fördern. Sowohl der Gesetzgeber als auch Unternehmen und andere private Organisationen, denen die Bewahrung unseres Planeten am Herzen liegt, können auf die Erkenntnisse der Forschung in diesem Bereich zurückgreifen, um einen Beitrag in Richtung mehr Nachhaltigkeit zu leisten. Der tatsächliche Effekt solcher Maßnahmen ist im Allgemeinen schwer zu beziffern und hängt sehr stark vom jeweiligen Kontext ab. Richtig eingesetzt kann es sich aber lohnen. Und angesichts der Klimakrise und all ihren möglichen Folgen sollte dieses Potential nicht ungenutzt bleiben.


Lennart Grigoleit

Lennart Grigoleit studiert an der LMU München Media, Management and Digital Technologies. Neben dem Studium arbeitet er bei dem Start-up SCIARA an der Entwicklung von ClimateTimeMachine - ein Zeitreise-Tool, das interaktiv und lebendig über den Klimawandel aufklären soll.

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