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Verschwörungsglaube: Medienkompetenz in Zeiten digitaler Kriegsführung

31. März 2023

Verschwörungsglaube: Medienkompetenz in Zeiten digitaler Kriegsführung

Die Digitalisierung wirkt sich enorm auf unser Denken und Handeln aus. In ihrer Masterarbeit hat sich unsere Autorin die Frage gestellt, wie die Digitalisierung mit Verschwörungsglaube zusammenhängt und welche Rolle Medienkompetenz spielen kann.

Ein Gastbeitrag von Lisa Herresbach

„Homo-Digitalis“ – so versuchen Forschende die körperlichen, geistigen und sozialen Auswirkungen der Digitalisierung auf den menschlichen Körper zu beschreiben. Was diese Veränderungen für uns als Gesellschaft auch auf lange Sicht bedeuten, lässt sich derzeit aber nur erahnen und gilt als ein noch junges Forschungsgebiet. Was wir bereits wissen: Der technische Fortschritt der Digitalisierung beeinflusst unser Denken enorm - und damit die Art und Weise, wie wir Erkenntnisse und Wissen verarbeiten und rational sortieren.

Digitalisierung als Fluch und/oder Segen für die eigene Weltwahrnehmung

Durch Digitalisierung und Internet verändern sich unsere Instinkte und das Vertrauen, uns auf diese verlassen zu können, so wie wir es in der realen Welt tun. Moderne Technologien bauen unser kritisches Denkvermögen ab, dabei gilt dieses als eines der wichtigsten Kernkompetenzen in der heutigen Gesellschaft und Lebensrealität. Macht die Digitalisierung eine desorientierte und verwirrte Generation aus uns, die nicht mehr in der Lage ist, Wahrheit von Lüge und Gut von Böse zu unterscheiden?

(Des)Informationen als Kriegsmittel

Informationen gelten nicht zuletzt in der modernen Kriegsführung als Machtinstrument. Verschwörungstheorien und Propaganda werden systematisch genutzt, um das eigene Regime zu legitimieren, die Gesellschaft zu polarisieren oder zu radikalisieren, um gegen Gegner zu hetzen, sowie Minderheiten zu stigmatisieren. Das beste Beispiel hierfür ist der immer noch andauernde Krieg Russlands gegen die Ukraine.

Krisen und Kriege wirken wie ein Verstärker für Fehl- und Desinformationen und damit auch für Verschwörungstheorien, denn sie verstärken das Gefühl der Unsicherheit, Hilflosigkeit, Orientierungslosigkeit, Überforderung und der eigenen Machtlosigkeit. Verschwörungstheorien liefern dafür das perfekte Ventil: eine Erklärung für alles, die Abgabe der eigenen Verantwortung für die Situation. Zusätzlich gibt es einen Schuldigen auf dem Silbertablett, Zufälle existieren nicht, alles ist vorbestimmt und geplant und allein die Erkenntnis und Anerkennung der Verschwörung macht einen zu einem besseren, schlaueren und überlegenen Menschen.

Zusammengefasst: eine instabile, unsichere, uneindeutige und komplexe Welt fördert unsere Neigung zum Verschwörungsglaube. Und der technische Wandel der Digitalisierung und der Globalisierung begünstigt genau diese Attribute.

Medienkompetenz als treibende Kraft im Kampf gegen die Neigung zum Verschwörungsglaube

Als Lösung für dieses Problem steht „Medienkompetenz“ als Teil der schulischen und politischen Bildung von Kindern und Jugendlichen zur Diskussion. Schon junge Menschen sollen lernen, wie sie mit Falschinformationen und Verschwörungstheorien im Internet umgehen können. Wie sie Informationen kritisch konsumieren, filtern, hinterfragen und auf Genauigkeit und Qualität prüfen. Dabei zeigen aktuelle Studien auch, dass sich Kinder und Jugendliche massiv in ihrer eigenen Medienkompetenz überschätzen und nicht nur die technische und mediale Infrastruktur an deutschen Schulen massive Defizite aufweist, sondern auch Lehrer:innen mit Wissenslücken im Bereich Medienkompetenz zu kämpfen haben.

Teil der Lösung oder Teil des Problems?

Dabei stellt sich auch die Frage: Hängt die Neigung zum Verschwörungsglaube nicht von mehr ab als einer Stunde Medienkompetenz pro Woche in der 8. Klasse?

Den jüngsten und nachfolgenden Generationen müssen wir mehr und bessere Medienkompetenz lehren. Und darüber hinaus müssen wir sie als mutige, engagierte, selbstständige sowie selbstbestimmte und sozial integrierte Menschen erziehen. Denn nur so können wir dem Gefühl von Unsicherheit, Machtlosigkeit und Fremdsteuerung vorbeugen und den Wunsch nach Zugehörigkeit befriedigen – und so die Neigung zum Verschwörungsglaube minimieren.


Lisa Herresbach

Lisa Herresbach hat Medienmanagement im Master an der Stuttgarter Hochschule der Medien studiert. Im Rahmen ihrer Masterarbeit forschte sie empirisch zum Thema Digitalisierung und deren Auswirkungen auf die Neigung zum Verschwörungsglaube. Lisa hat ihr Studium inzwischen erfolgreich abgeschlossen und versucht sich, nach den sehr tiefen Einblicken in die Thematik und der intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema, vorerst von Verschwörungstheorien fern zu halten.

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