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Sprachassistenten: Chance oder Gefahr?

20. April 2022

Sprachassistenten: Chance oder Gefahr?

Sprachassistenten sind eine Möglichkeit, wie wir mit unseren Geräten im alltäglichen Leben auf natürliche Weise kommunizieren können. Doch mit welchen Risiken auf unsere zwischenmenschlichen Beziehungen oder unsere Sprache sind zu rechnen? Oder überwiegen die Vorteile und Chancen der Nutzung von sprachbasierten Technologien?

Ein Gastbeitrag von Sina Ruhrländer

In Science-Fiction-Filmen unterstützt Künstliche Intelligenz, kurz KI, schon lange wie selbstverständlich die Menschheit. Was aber in alten Filmen noch völlig utopisch war, ist heute nicht mehr so weit weg und teilweise sogar schon möglich. Ein Beispiel dafür, wie wir dank KI mit Geräten in unserem Alltag interagieren können, sind Sprachassistenten wie Siri oder Alexa. Durch den schnellen technologischen Wandel in diesem Bereich ist eine Auseinandersetzung mit möglichen Chancen und Risiken von Sprachassistenten für die Zukunft dieser Entwicklung von hoher Bedeutung. Fragen können sein:

  • Inwieweit wirkt sich die Interaktion zwischen Mensch und Maschine auf unsere zwischenmenschlichen Beziehungen und unsere Sprache aus?
  • Geht die Selbstständigkeit des Menschen zurück, wenn immer mehr Aufgaben durch Maschinen und Künstliche Intelligenz übernommen werden?
  • Welche Personengruppen profitieren am meisten von der Nutzung von sprachbasierten Technologien?

Zu Beginn meiner Bachelorarbeit habe ich mir diese Fragen gestellt und versucht, sie mithilfe von Expert:inneninterviews und einer User-Umfrage zu beantworten.

Wie Voice Assistants unsere Sprache beeinflussen können

Soziale Medien haben einen starken Einfluss, auch in Bezug auf Sprache. So übernehmen User oftmals Kommunikationsmuster aus den Medien in ihre eigene zwischenmenschliche Kommunikation. Könnte dies auch bei Sprachassistenten der Fall sein? Skeptiker fürchten, dass die Kommunikation mit Sprachassistenten vor allem für Kinder, aber auch für Erwachsene verschiedene negative Konsequenzen haben könnte: In Studien wurde beobachtet, dass Kinder ihre Sprachassistenten als emotionale Wesen betrachten und sie als Familienmitglied einordnen. Gleichzeitig zeichnet sich die Kommunikation durch „Rumkommandieren“ ohne „Bitte“ oder „Danke“ aus (“Hey Siri, spiel’ mein Lieblingslied!”). Das Aufnehmen dieser Strukturen in die eigene, noch nicht gefestigte Sprache könnte zu einem unhöflicheren Umgang und schlechteren Manieren gegenüber Mitmenschen führen.

In meiner Umfrage mit Nutzer:innen von Sprachassistenten zeichnete sich ein anderes Bild ab: Wir Menschen verstehen von Geburt an sehr gut, wann wir mit einem Menschen und wann mit einer Maschine kommunizieren. Bei den momentanen Modellen der Sprachassistenten fällt es uns ebenfalls sehr einfach zu erkennen, ob es sich um einen echten Menschen oder um eine KI handelt und wir wissen dementsprechend auch, wie wir damit umzugehen haben.

Ein weiterer Aspekt sind Sprachvarietäten wie Dialekte oder Umgangssprache. Die digitalen Assistenten haben Schwierigkeiten mit diesen Abweichungen der Norm umzugehen. Das könnte sich auf das Verhalten der User auswirken kann, die genötigt sein könnten, diese Varianten gegenüber den Assistenten zu vermeiden. Redewendungen, Dialekte oder Floskeln könnten mehr und mehr aus dem Sprachgebrauch verschwinden und somit auch die Vielseitigkeit der Sprache. Dem entgegenzuhalten ist die Tatsache, dass die Sprachassistenten auf Suchmaschinen wie Google zurückgreifen, die durch den Zugriff auf Mundartwörterbücher zumindest bis zu einem bestimmten Grad mit Sprachvariationen mithalten können.

Die meisten Sprachassistenten haben eine voreingestellte weibliche Stimme, wodurch das Bild der Frau als „Dienerin“ und „Assistentin“ unterstützt wird. Bedenken gibt es deshalb auch in Bezug auf Geschlechterklischees und (sexistische) Beleidigungen. Die Ergebnisse aus den Umfragen und den Expert:inneninterviews können diese Bedenken teilweise aus dem Weg schaffen. Die Expert:innen waren sich einig, dass die Hersteller bereits an diesem Problem arbeiten. Während Sprachassistenten vor einiger Zeit noch über (sexistisch) Beleidigungen hinweghörten, geben sie mittlerweile Widerworte oder ignorieren die gesamte Frage. In Zukunft könnten außerdem die Stimmen-Sets noch diverser sein. Alexa und Siri beispielsweise lassen sich schon auf eine männliche Stimme einstellen. Seit März besitzt der Sprachassistent von Amazon außerdem ein weiteres Aktivierungswort. Mit dem geschlechtsneutralen Namen „Ziggy“ lässt sich das Gerät nun ebenfalls aktivieren.

Macht uns Künstliche Intelligenz faul?

Außerdem habe ich mir im Rahmen meiner Bachelorarbeit die Frage gestellt, inwieweit die Nutzung von künstlich-intelligenten Technologien wie Sprachassistenten unsere Selbstständigkeit einschränkt. Die Vorstellung, dass KI uns in Zukunft unserer Arbeit berauben könnten, ist ja nicht neu und die Folgerung von weniger Selbstständigkeit scheint nur logisch.

Die Ergebnisse meiner Umfrage unter 70 Nutzer:innen von Sprachssistenten und die Interviews mit fünf Expert:innen, widerlegten diese Annahme jedoch. Rund drei Viertel der Befragten hielten es zwar für wahrscheinlich, dass Künstliche Intelligenz den Menschen in Zukunft in bestimmten Bereichen überflüssig machen. Dennoch: Über die Hälfte der Teilnehmer:innen haben keinerlei Bedenken. dass sich das auch auf ihre Selbstständigkeit auswirken könnte. Eher im Gegenteil: Da die virtuellen Assistenten in den meisten Fällen nur kleinere Aufgaben im Alltag übernehmen können und zu größeren, komplexeren Aufgaben noch nicht im Stande sind, ist es abwegig, dass die Selbstständigkeit des Nutzers nennenswert beeinflusst wird oder verloren geht.

Wer profitiert von Alexa, Siri und Co.?

Generell profitieren alle Menschen von Sprachassistenten, die gerade nicht die Hände frei haben und so eine Anwendung über die Stimme steuern können. Es gibt aber bestimmte Gruppen, die besonders von der stimmgesteuerten KI profitieren.

Dazu gehören Kinder, die durch die Nutzung von sprachbasierten Geräten selbstständiger werden, da sie bis zu einem gewissen Alter weder lesen noch schreiben können. Die Interaktion mit der Stimme ermöglicht ihnen dennoch einen eigenständigen Umgang mit technischen Geräten. In Zukunft kann außerdem davon ausgegangen werden, dass Spielzeuge in Richtung der Sprachassistenz weiterentwickeln werden.

Ein weiterer großer Vorteil bei Sprachassistenten ist die barrierefreie Nutzung. Die natürliche Interaktion ermöglicht auch ohne Tastatur, Bildschirm oder Fernbedienungen Geräte zu nutzen und Anwendungen auszuführen. Das kann beispielsweise für Menschen mit motorischen Schwierigkeiten oder sehbehinderte Menschen eine große Erleichterung für das alltägliche Leben sein.

Aber auch andere Personengruppen wie Analphabeten oder Menschen, die wenig technikaffin sind und Probleme mit der Nutzung technischer Geräte haben, profitieren stark von sprachbasierten Technologien.

Alles was mit Stimme gesteuert werden kann, wird mit Stimme gesteuert werden.

Auch wenn sich also einige Bedenken auftun, habe ich im Laufe meiner Bachelorarbeit festgestellt, dass die Vorteile der Nutzung von Sprachassistenten deutlich überwiegen. Die intuitive und schnelle Eingabe über die Stimme bietet einen großen Mehrwert für Anwender:innen. Da diese Form der Interaktion ein großes Potential aufweist, kann davon ausgegangen werden, dass auch in den nächsten Jahren mehr und mehr Geräte mit der Stimme bedienbar sein werden und somit die Stimme eine weitere Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine darstellen.

Sina hat nun das Förderprogramm für Abschlussarbeiten durchlaufen. Mehr zum Programm gibt es hier! Sinas ersten Blogbeitrag vom Beginn ihrer Recherche findest du hier!


Sina Ruhrländer

Sina Ruhrländer befindet sich im letzten Semester ihres Bachelorstudiums Multimedia und Kommunikation an der Hochschule Ansbach. Die Schwerpunkte Ihres Studiums - Medientechnik und Audio - möchte sie nun verbinden, um eine spannende Abschlussarbeit im Bereich Voice Assistants zu schreiben - gemeinsam mit dem Media Lab Ansbach!

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