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Von feministischen Medien und medialem Feminismus

03. August 2021

Von feministischen Medien und medialem Feminismus

Medien sind so alt wie die Menschheit selbst und entwickeln sich stets mit der Gesellschaft, in der sie stattfinden. Feminismus ist dagegen noch relativ jung, aber dafür mindestens genauso breit diskutiert. Warum und wie man am besten beides zusammen denkt, darum geht es im Podcast X und Y - Der Podcast über Medien und Feminismus.

Ein Gastbeitrag von Luisa Filip und Elisabeth Ries

Am 30. März 2021 veröffentlichte das World Economic Forum wie jedes Jahr seit 2006 seinen Global Gender Gap Report. Das nüchterne Ergebnis der vielen Auswertungen zu Politik, Gesundheit, Bildung und Wirtschaft: Bis zur Gleichberechtigung aller Geschlechter weltweit würde es mit aktuellem Tempo noch 136 Jahre dauern. Das bedeutet, dass kein heute lebender Mensch diese Gleichberechtigung nach jetzigem medizinischen Stand erleben wird. Und wer sich fragt, ob nicht zum Beispiel in Deutschland die Entwicklung schon quasi abgeschlossen ist: Auch der deutsche Gender Gap ist erst zu knapp 80 Prozent überwunden, was nicht einmal fünf Prozentpunkte mehr ist, als zu Beginn der Studien vor 15 Jahren. Wenn es in diesem Tempo weitergeht haben wir also auch in Deutschland die Gleichstellung erst in 60 Jahren erreicht.

Dabei ist der Kampf der Geschlechter, vor allem der marginalisierten Geschlechter, um Gleichberechtigung und Gleichstellung schon um ein vielfaches so alt. Genannt wird dieser Kampf Feminismus und er findet heute in ganz anderen Kontexten statt als vor hundert oder zweihundert Jahren, als es in Deutschland zum Beispiel noch um so elementare Dinge wie das Frauenwahlrecht ging. Stets begleitet und auch geformt wurde und wird Feminismus von Medien. Journalistische Medien beschreiben, kommentieren, zerreißen und unterstützen die feministischen Anliegen. In Filmen, Büchern, Musik ist Feminismus stets Thema, einfach weil Geschlechter darin vorkommen. Das Medium Sprache kann Geschlechterverhältnisse offenbaren oder verschweigen und so Feminismus transportieren.

Ein paar Beispiele

Zum journalistischen Alltag gehört auch die ständige Entscheidung darüber, wen man für entsprechendes Fachwissen für bestimmte Themen heranzieht. Dass dabei Frauen oft den Kürzeren ziehen hat zum Beispiel die Corona-Berichterstattung im Juli 2020 gezeigt. Eine von der MaLisa Stiftung beauftragte Studie sah sich die TV-Berichterstattung von ARD, ZDF, RTL und Sat.1 an und kam zu ernüchternden Ergebnissen: Frauen kamen nur zu 22 Prozent als Expertinnen vor und wurden dann auch eher zu Bildung oder Soziales als zu Medizin oder Wirtschaft befragt. Und das Argument, dass es vielleicht einfach insgesamt einen kleineren Anteil an Expertinnen gibt, funktioniert nicht, wenn man sich vor Augen hält: Nur eine von fünf Personen des befragten ärztlichen Fachpersonals war weiblich, obwohl in Deutschland die Quote bei 50/50 liegt.

Im Film Birds of Prey reicht eine Frau mitten in einer Kampfszene einer anderen Frau einen Haargummi, damit sie besser kämpfen kann und ihre herumfliegenden Haaren sie nicht dabei stören. Menschen mit langen Haaren, in der Überzahl Frauen, kennen es nur zu gut, wenn die Mähne mal wieder sonst wo rumfliegt. Das ist Lebenswirklichkeit. Und gerade in Action-Filmen findet ob des Männerüberschusses weibliche Lebenswirklichkeit quasi nicht statt. Wenn überhaupt eine Frau auftaucht, dann als sexy Anhängsel des Hauptprotagonisten. Sie trägt dann auch nach der zehnten Verfolgungsjagd und der dritten Explosion in unmittelbarer Nähe noch ihre hochhackigen Schuhe und sieht von oben bis unten top gestylt aus. Weibliche Lebenswirklichkeit ist so viel diverser als das.

Und zum Medium Sprache, das uns und unsere Gesellschaft widerspiegelt: So aktuell die Diskussion um Binnen-I, Doppelpunkt und Sternchen auch gerade ist, die ersten Debatten darüber wurden schon in den 70ern geführt. Und genau wie damals, liegt heute eigentlich der Fokus falsch. Der ganze “Gender-Gaga” lässt sich nämlich am Ende auf eine ziemlich simple Frage herunterbrechen: Möchte ich mit meiner Sprache bewusst ausschließen? Wenn die Antwort darauf ein klares “Nein” ist, dann ist es nicht allzu schwer die eigene Wortwahl gendersensibler zu gestalten - auch wenn Gendersternchen & Co. vielleicht erstmal gewöhnungsbedürftig sind (Spoiler: Alles Übungssache!). Dieser Text zum Beispiel kommt sowohl ohne Genderzeichen als auch ohne das generische Maskulinum aus, so dass sich 1. alle, die diesen Text lesen, nicht nur mitgemeint, sondern auch mitgeschrieben fühlen können, und 2. alle, die Gendern mit einem gestörten Lesefluss verbinden, sich beruhigt zurücklehnen können.

Was all diese Beispiele verdeutlichen: Mehr Expertinnentum im Journalismus bedeutet eine ausgewogenere und realitätsnähere Berichterstattung; mehr weibliche und auch männliche Lebenswirklichkeit in Filmen bedeutet Identifikationspotenzial für alle, die diese Filme sehen, und bricht Geschlechterklischees auf. Mehr Sensibilität bei Sprache bedeutet am Ende ein größeres Miteinander statt Gegeneinander. Mehr davon!

Ein Podcast über Medien und Feminismus

Und genau daran setzt der Podcast X und Y an, der vom Media Lab Ansbach eine sechsmonatige Projektförderung erhalten hat. In den Episoden reden wir, Elli und Luisa, darüber, warum es in deutschen Regionalzeitungen 100 Chefredakteure und nur 8 Chefredakteurinnen gibt. Wir regen uns über sexistische Werbung auf und feiern feministische Momente in Blockbustern. Und vielleicht tragen wir damit einen kleinen Teil dazu bei, die 136 Jahre bis zur weltweiten Gleichberechtigung der Geschlechter zu verkürzen oder sie zumindest unterhaltsamer zu gestalten.

Hört mal rein!

Luisa und Elli haben ihre Projektförderung mittlerweile abgeschlossen und wir sind gespannt, wie es mit dem Podcast in Zukunft weitergeht. Wenn du auch ein spannendes, innovatives Thema für ein Projekt hast, dann melde dich bei uns!

Text: Luisa Filip und Elisabeth Ries

Luisa Filip und Elisabeth Ries

Luisa Filip ist freie Journalistin beim Deutschlandfunk und Podcast-Redakteurin, Elisabeth Ries hat sich zuletzt in ihrer Masterarbeit intensiv mit dem Thema “Feminismus und Sexismus in den Medien” beschäftigt.

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