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#snackable: Hidden Racism in Journalism

02. September 2020

#snackable: Hidden Racism in Journalism

Versteckter Rassismus in unserem Alltag ist eines der großen Themen im Jahr 2020. #BlackLivesMatter geht um die Welt und hat es sogar bis vor das Weiße Haus geschafft. Schwarze Posts auf den Social Media Kanälen bekunden millionenfach Solidarität. Bei unserem ersten #snackable-Event haben wir uns gefragt: Ist deutscher Journalismus zu weiß? Wo müssen wir anpacken für mehr Vielfalt in der Medienlandschaft?

Zu diesen Fragen wollten wir bei der Premiere unserer #snackable (Mini) Innovation Jams mit euch diskutieren und in einem gemeinsamen Brainstorming erste Lösungsideen und Denkanstöße entwickeln. Mit dabei: Unsere Speakerin Thembi Wolf, Senior Editor bei VICE und Vorstandsmitglied der Neuen Deutschen Medienmacher*innen - dem bundesweiten Zusammenschluss von Medienschaffenden für mehr Vielfalt in den Medien.

Der Anteil an Journalist*innen mit Migrationshintergrund liegt gerade einmal bei fünf Prozent

Zunächst präsentierte Thembi uns hierzu einige Fakten:

Rund 21 Millionen Menschen in Deutschland, das heißt also etwa 25 Prozent der Einwohner*innen, haben einen Migrationshintergrund. Der Anteil an Journalist*innen mit Migrationshintergrund liegt jedoch gerade einmal bei fünf Prozent. Eine Studie aus Köln über die Situation in den Chefetagen der Medienhäuser fällt ebenfalls ernüchternd aus. Etwa sechs Prozent der Chefredakteur*innen haben hier einen Migrationshintergrund. Jedoch ist tatsächlich keine*r von ihnen schwarz, aus einer muslimisch geprägten Familie oder einer der größten Einwanderergruppen Deutschlands (polnisch, türkisch, russisch). Ein ausführlicher Bericht hierzu findet sich auch auf der Website der Neuen Deutschen Medienmacher*innen.

Challenge accepted!

Es wurde also schnell klar: Da muss noch mehr gehen! Herausforderungen vorprogrammiert: Expert*innen mit Migrationshintergrund zu finden, ist laut Thembi keine leichte Hausnummer. Eine verlorene Perspektive für deutsche Medienhäuser, denn die Sensibilität für Rassismus in der Berichterstattung fehlt. Zudem bleibt Alltagsrassismus in Redaktionen leichter präsent. Und: Es fehlen viele Geschichten, die wirklich “ganz” Deutschland bewegen.

Ein weiteres Problem ist, dass sich Rassismus in den deutschen Medien nicht an Zahlen messen lässt. Zudem gibt es keine Quote, denn wichtige Fragen hierfür sind nicht eindeutig geklärt: Ab wann wird man eigentlich als Person “mit Migrationshintergrund” eingeordnet? Wer nimmt sich selbst so wahr? Welche dieser Personen sind tatsächlich betroffen von rassistischen Handlungen? Wie viele Personen haben zwar keinen Migrationshintergrund, sind aber BPoC und haben fast täglich mit Alltagsrassismus zu kämpfen? Und bei welchen dieser Personen sprechen wir dann eigentlich von Protagonist*innen, Influencer*innen, Autor*innen oder Expert*innen?

Versteckter Rassismus im Journalismus

Rassismus im deutschen Journalismus ist also kaum messbar und zudem versteckt. Thembi nannte uns hier einige Bespiele aus der aktuellen Medienberichterstattung, etwa eine Talkshow zum Thema Rassismus, die ausschließlich mit weißen Expert*innen besetzt wurde oder ein Zeitungsartikel zu Corona mit der Überschrift “Made in China”, dabei dargestellt eine asiatische Person.

Wie aber nun mehr sensibilisieren für solche sicherlich häufig auch sehr unbewussten rassistischen Darstellungsweisen?

Lösungsansätze: RosaMag, Mashallah und Rice and Shine

Erste Lösungsansätze gibt es bereits: Das RosaMag zum Beispiel ist ein Magazin, das über das Leben junger BPoC in Deutschland berichtet (und ist übrigens auch eines unserer Media Lab Bayern Startups). Der Podcast Mashallah beleuchtet das Leben von Muslim*innen in Deutschland. Und der Podcast Rice and Shine beschäftigt sich mit der asiatischen Diaspora in Deutschland. Auch die Goldene Kartoffel, eine Preisvergabe der Neuen Deutschen Medienmacher*innen, bringt Wind in die deutschen Medienhäuser. Sie wird unter anderem für besonders unterirdische Berichterstattungen bezüglich einer verzerrten Darstellung des Zusammenlebens im Einwanderungsland Deutschland verliehen und hat bei ihrer Verleihung schon für viel Aufsehen, aber eben auch Umdenken gesorgt.

“Kommt in eure Verantwortung!"

Trotz aller Innovation und Aufsehen ist der Impact der meisten bisherigen antirassistischen Projekte jedoch vergleichsweise noch klein. Es gilt also, in Bewegung zu kommen! “Wir sind schon so lange da! Kommt in eure Verantwortung”, fordert Thembi. Anpacken, idealerweise gleich in den Chefetagen, den Planungsstäben, Aufsichtsgremien, vor und hinter den Kameras und Mikrofonen, ist die Devise. Auch in Journalistenschulen, Medienstudiengängen, bei Journalismusstipendien und der Vergabe von Praktika sollten die Vergabekriterien deutlich diverser ausfallen. So können mehr Möglichkeiten für BPoC geschaffen werden, in die Medienbranche einzusteigen.

Wie man das am besten schaffen könnte? Dazu brainstormten wir mit den Teilnehmer*innen nach dem spannenden Input von Thembi in einer kurzen Lightning Decision Jam auf einem digitalen Coworking-Board. Post-its flogen nur so hin und her und die Köpfe rauchten.

First Things First: Start with the things that are working

Ein positiver Start kann motivieren! Zuerst sollten die Teilnehmer*innen notieren, welche Lösungsansätze ihrer Meinung nach aktuell schon gut funktionieren. Hier wurden zum Beispiel Vereine wie die Neuen Deutschen Medienmacher*innen, genannt, die zur Wissensvermittlung und Diversität beitragen. Informationen sind wichtig und es gibt auch bereits immer mehr Podcasts, Bücher, YouTube Videos, Artikel und vieles mehr, die sich der Thematik annehmen. All dies regt an, die “weiße Bubble” zu verlassen sowie den Alltag zu hinterfragen.

Capture all the problems

Trotzdem passiert immer noch zu wenig. Das zeigten im nächsten Schritt die vielen Post-its zu Problemfeldern, die sich im Journalismus in Bezug auf Alltagsrassismus nach wie vor aufwerfen. In einem Voting wurden von den Teilnehmer*innen im Anschluss die Posts ausgewählt, die ihnen aktuell am Relevantesten erscheinen.

Reframe problems as challenges and ideate without discussion

Endlich konnten die Teilnehmer*innen nun wirklich kreativ werden: Wir stellten uns in einem weiteren Ideen-Sprint die Frage, wie man differenzierte Vor- und Darstellungen in den Medien mehr fördern könnte.  Die vielen konstruktiven ersten Lösungsvorschläge rankten wir im Anschluss noch einmal nach dem potenziellen Aufwand ihrer Umsetzung und ihrem zu erwartenden gesellschaftlichen Impact.

Bei vielem waren sich die Teilnehmer*innen aber einig: “Medienhäuser müssen sich mehr trauen und mehr diverse Meinungen zulassen!” / “Eine ausgeglichene Wissensvermittlung muss von klein auf stattfinden, damit Vielfalt bald selbstverständlich in unserer Gesellschaft wird.” / “Ein Foto-Stock-Archiv mit bewusst vielfältigem und weniger klischeehaftem Bildmaterial wäre schon einmal ein Anfang!”

Fazit

“Cool, dass man bei euch nicht nur Input bekommt, sondern auch konstruktive Ideen bringen kann!”, war das Feedback einer unserer Teilnehmer*innen. Und auch wir fanden: Obwohl es sich bei unserem #snackable-Format bewusst “nur” um einen Mini Innovation Jam handelt, haben wir in der kurzen Zeit schon sehr viele coole Denkanstöße zum Weiterdenken mitnehmen können.

Eure positiven Rückmeldungen haben unsere Motivation für die nächsten #snackable-Sessions auf jeden Fall noch einmal deutlich gesteigert. Denn da draußen warten schließlich noch viele weitere spannende Themen, die endlich einmal angepackt werden wollen!

Am Donnerstag, den 03. September, werden wir zum Beispiel ab 10 Uhr gemeinsam mit Johannes Klingebiel von der Süddeutschen Zeitung zum Thema “Corona und die Medien” diskutieren. Müsli und Kaffee sind natürlich wieder ausdrücklich erlaubt!
Wir freuen uns auf euch!

Text: Irmeli Pohl

Irmeli Pohl

Irmeli Pohl studiert seit Oktober 2020 im Bachelor Ressortjournalismus an der Hochschule Ansbach. Von August bis September 2020 arbeitete sie im Media Lab Ansbach als Praktikantin und unterstützte dort das Marketing und Eventmanagement.

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