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Der Teufelskreis mit den Nachrichten

02. Dezember 2021

Der Teufelskreis mit den Nachrichten

Halten uns die Nachrichten, die wir konsumieren, davon ab, in Zukunft weiter Nachrichten zu konsumieren? Nicht erst seit der Corona-Pandemie ist der Konsum von Nachrichten oft anstrengend und belastend. Für manche sogar so sehr, dass sie auf den Nachrichtenkonsum lieber komplett verzichten. Wie können wir das verhindern? Meine Bachelorarbeit will dafür eine Lösung finden.

Ein Gastbeitrag von Andreas Eikam

„Vor die Wahl gestellt, bevorzugen wir immer die negativen und zynischen gegenüber den positiven Schlagzeilen“, so beschreibt es Maren Urner in ihrem medienkritischen Buch ‘Schluss mit dem täglichen Weltuntergang’. Auch wenn dieses Denken noch aus der Steinzeit stammt und sich negative Nachrichten damals mehr um Säbelzahntiger, Mammuts und andere Gefahren aus der Natur drehten, hat sich der Grundgedanke seitdem nicht verändert: Negative Nachrichten sind die wichtigeren Nachrichten. Sie warnen uns vor Gefahren. Diese steinzeitliche Programmierung führt in der modernen und dynamischen Medienwelt allerdings in einen Teufelskreis.

Es ist nur logisch, dass ein dauerhafter Konsum von Nachrichten Auswirkungen auf die eigene Stimmung haben muss. Dass der Nachrichtenkonsums aber insbesondere dann Folgen hat, wenn Ereignisse selbst nicht miterlebt wurde, verdeutlicht unter anderem eine Studie von der University of California. Sie untersuchte acht Monate nach dem Anschlag auf den Boston Marathon im April 2013 das Stresslevel von Amerikaner:innen, die den Anschlag in der eigenen Stadt oder über die Medien miterlebten. Die drei Autorinnen fanden heraus, dass diejenigen, die die Anschläge live miterlebt hatten ein geringeres Stresslevel aufwiesen als diejenigen, die nur über die Nachrichten darüber informiert worden und der weiteren medialen Berichterstattung gefolgt waren.

„Das macht mich psychisch kaputt.“

In Vorbereitung auf meine Bachelorarbeit konnte ich bei User-Interviews weitere Einblicke gewinnen, inwiefern Rezipient:innen sich bewusst sind, was sie konsumieren und vor allem, was das in ihnen bewirkt. Sie gaben an, dass sie vor allem dann bewusst keine Nachrichten konsumieren, wenn der Tag zuvor bereits „stressig“ oder „anstrengend“ war.  Die Nachrichten würden „sonst nur runterziehen“. Ebenso sagten mehrere Befragte, dass sie bewusst auf einen dauerhaften Nachrichtenkonsum verzichten: „Sonst wird du verrückt“ und „Das macht mich psychisch kaputt“. In erster Linie führten sie diese Entscheidung auf den Anteil an „negativen“ oder „belastenden“ Nachrichten zurück.

Die These danach war Folgende:  Nachrichten selbst können dazu führen, dass Rezipient:innen weniger Nachrichten konsumieren. Und zwar unabhängig davon, ob das Thema eine hohe persönliche Relevanz hat oder nicht.

Ein regelmäßiger Nachrichtenkonsum ist jedoch von essentieller Bedeutung für eine aufgeklärte und moderne Gesellschaft und für die Individuen die diese Gesellschaft bilden. Die entscheidende Frage ist nun: Wie schaffen wir es den Teufelskreis zu durchbrechen, so dass Menschen trotz der täglichen (negativen) Nachrichtenlage weiterhin Nachrichten konsumieren und nicht von ihnen abgeschreckt werden?

Die Lösung (?)

Um dieses Problem zu lösen habe ich drei einzelne Instrumente entwickelt. Jedes Einzelne hat bereits einen konkreten Sinn, die größte Wirksamkeit sollen aber alle gemeinsam erzielen. 

  1. Am Ende eines Nachrichtenartikels wird den Rezipient:innen zuerst die Frage gestellt „Welche Stimmung löst dieser Beitrag in Ihnen aus?“. Diese Frage soll den Rezipient:innen die Möglichkeit bieten, das gerade Gelesene zu reflektieren.
  2. Direkt unter dieser Frage befindet sich das sogenannte „Stimmungsbarometer“. Hier kann nähere präzisiert werden, ob der Artikel „erfreuend“ oder „belastend“ war.
  1. Wählen die Rezipient:innen zwei Mal an einem Tag „belastend“, werden Artikel angeboten, die von anderen Rezipient:innen als „erfreuend“ bewertet wurden.

Der Sinn dahinter ist, dass eine stärkere Reflektion bereits dazu beitragen kann, bestimmte Themen nicht, wie in User-Interviews beschrieben, „so nah an sich ran zu lassen“. Vor allem soll aber das Lesen eines „erfreuenden“ Artikels am Ende des Nachrichtenkonsums dazu beitragen, dass Rezipient:innen den Nachrichtenkonsum mit einer positiveren Stimmung beenden. Der Versuch zielt darauf ab, den zukünftigen Nachrichtenkonsum so zu beeinflussen, dass wieder mehr und regelmäßiger Nachrichten konsumiert werden, indem die Instrumente die potenziellen negativen Folgen ausgleichen.

Um dies zu überprüfen, führe ich im Dezember eine Studie durch. In zwei Experimentrunden werden drei Studiengruppen Artikel lesen und Fragen dazu beantworten. Die Ergebnisse werden in meiner Bachelorarbeit und auf diesem Blog zu lesen sein.


Andreas Eikam

Andreas Eikam studiert an der Katholischen Universität in Eichstätt Journalistik mit dem Schwerpunkt auf Lateinamerikastudien. Während seines Auslandssemester in Kolumbien nahm er am größten spanischsprachigen Kongress der Welt für Jounalist:innen in Medellín teil: dem Festival Gabo. Spätestens seitdem will er helfen, dass der Journalismus entpolitisiert und entpolarisiert wird, um wirklich sicherzustellen, dass der Journalismus dabei hilft Entscheidungen treffen zu können – und diese nicht selbst trifft.

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